Tatort Murot und der Elefant im Raum: Warum dieser Wiesbaden-Krimi Deutschland spaltet
Der neueste Tatort aus Wiesbaden mit Ulrich Tukur als Kommissar Felix Murot hat binnen weniger Stunden über 10.000 Suchanfragen bei Google ausgelöst – ein explosionsartiger Anstieg von 1000 Prozent. „Murot und der Elefant im Raum“ sorgt für heftige Diskussionen in den sozialen Medien und konfrontiert das Publikum mit der Frage: Ist das noch Tatort oder schon experimentelles Arthouse-Kino? Die Episode verbindet einen Entführungsfall mit surrealen Neurofeedback-Sequenzen, die tief ins Unterbewusstsein einer komatösen Mutter führen. Was Regisseur Dietrich Brüggemann hier inszeniert hat, ist ein kalkulierter Bruch mit allen Krimi-Konventionen.
Diese 14. Folge mit Ulrich Tukur zeigt einmal mehr, warum die Wiesbadener Tatort-Reihe polarisiert wie keine andere. Barbara Philipp als Magda Wächter und eine Besetzung mit Rammstein-Keyboarder Flake Lorenz unterstreichen den experimentellen Anspruch. Während klassische Tatort-Fans verzweifelt nach nachvollziehbarer Ermittlungsarbeit suchen, feiern andere genau diese Andersartigkeit als innovatives Fernsehen.
Ulrich Tukur im Psycho-Trip: Wenn Tatort zur Science-Fiction wird
Wer am Sonntagabend um 20:15 Uhr im Ersten klassische Ermittlungsarbeit erwartete, wurde bei „Murot und der Elefant im Raum“ eines Besseren belehrt. Die Handlung beginnt mit einem Entführungsfall, doch statt konventioneller Spurensuche tauchen LKA-Kommissar Felix Murot und seine Kollegin Magda Wächter mithilfe futuristischer Neurofeedback-Technik ins Unterbewusstsein ein. Was folgt, sind verstörende Traumsequenzen, die eher an David Lynch erinnern als an Sonntagabend-Unterhaltung. Die Grenze zwischen Realität und Fantasie verschwimmt vollständig.
Diese bewusste Abkehr vom Whodunit-Schema ist typisch für die Wiesbadener Reihe. Schon frühere Murot-Folgen wie „Murot und das Murmeltier“ experimentierten mit Zeitschleifen, während „Das Dorf“ durch seine visuelle Ästhetik beeindruckte. Dietrich Brüggemann, der als Regisseur und Drehbuchautor verantwortlich zeichnet, hat sich einen Namen gemacht – allerdings nicht nur durch seine Filme. Seine Beteiligung an der umstrittenen #allesdichtmachen-Kampagne während der Corona-Pandemie machte ihn zur polarisierenden Figur. Mit der Murot-Reihe kanalisiert er seine Vorliebe für das Unbequeme perfekt.
Social Media Reaktionen auf Murot: Zwischen Begeisterung und Entsetzen
Die Kommentarspalten auf X, ehemals Twitter, explodieren förmlich seit der Ausstrahlung. Kritiker bezeichnen die Episode als „unrealistischen Unsinn“ und beklagen sich über unverständliche Dialoge durch schlechte Tonabmischung. Das langsame Tempo und die fehlende klassische Krimistruktur treiben viele Zuschauer zur Verzweiflung. Doch die eingeschworene Fangemeinde verteidigt ihren Lieblingskommissar vehement: „Wer Massenware will, soll woanders hinschauen“ lautet das Credo der Murot-Anhänger. Für sie ist genau diese kompromisslose Andersartigkeit das Wertvollste an der Reihe.
Die extreme Polarisierung ist kein Zufall, sondern bewusste Strategie. Mit der Besetzung von Flake Lorenz setzt die Produktion ein unübersehbares Signal: Hier wird gegen den Strom geschwommen. Ulrich Tukur selbst ist bekannt dafür, unbequeme Rollen zu wählen und sein Publikum herauszufordern. Der 67-jährige Schauspieler und Musiker verkörpert einen Kommissar, der nichts mit den sympathischen Ermittlern anderer Tatort-Standorte gemein hat.
Dietrich Brüggemann Tatort-Experimente: Provokation als Markenzeichen
Die Murot-Reihe hat sich über Jahre als Frontalangriff auf Sehgewohnheiten etabliert. Sie mischt klassische Krimielemente mit psychologischen Tiefenbohrungen, surrealen Bildwelten und absurden Wendungen. Manche Kritiker sprechen von Innovation und Mut, andere von Selbstbeweihräucherung und Arroganz. Der massive Anstieg der Suchanfragen zu „Murot und der Elefant im Raum“ erklärt sich durch mehrere Faktoren: Die Live-Ausstrahlung zur Primetime sorgt für unmittelbare Reaktionen, verwirrt oder fasziniert greifen Zuschauer sofort zum Smartphone.
Der Titel selbst ist Programm. „Der Elefant im Raum“ bezeichnet das offensichtliche Problem, über das niemand sprechen will. Genau das ist die Murot-Reihe für das deutsche Fernsehen: ein riesiger Elefant, der alle konventionellen Regeln bricht und damit grundsätzliche Fragen aufwirft. Soll der Tatort Massenunterhaltung sein oder darf öffentlich-rechtliches Fernsehen experimentell und sperrig sein? Diese Diskussion berührt den Kern des öffentlichen Auftrags.
Felix Murot Barbara Philipp: Das ungewöhnlichste Ermittler-Duo im deutschen Fernsehen
Die Chemie zwischen Ulrich Tukur und Barbara Philipp unterscheidet sich fundamental von anderen Tatort-Teams. Keine kumpelhafte Vertrautheit, kein eingespieltes Duo mit vorhersehbaren Dialogen. Stattdessen arbeiten Murot und Wächter in einer Atmosphäre intellektueller Distanz, die perfekt zur experimentellen Ausrichtung der Reihe passt. In „Murot und der Elefant im Raum“ verstärkt sich diese Entfremdung noch durch die surrealen Sequenzen, in denen normale Kommunikation unmöglich wird.
Egal ob geliebt oder gehasst – die Episode hat geschafft, was Fernsehen im Streamingzeitalter kaum noch gelingt: ein gemeinsames Erlebnis, über das ganz Deutschland gleichzeitig spricht. In einer fragmentierten Medienlandschaft ist das ein seltener Erfolg. Die über 10.000 Suchanfragen in nur vier Stunden beweisen, dass dieser Tatort niemanden gleichgültig lässt. Während die Zuschauer noch rätseln und diskutieren, plant Dietrich Brüggemann vermutlich bereits die nächste Provokation. Willkommen im Tatort 2025, wo der Elefant im Raum größer ist als je zuvor.
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